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Wellen des Muts und des Wandels

2025–05–05

Der Fahrradunterstand Våg entstand aus einem ortsspezifischen Projekt an der Forschungsanlage MAX IV im schwedischen Lund. Eine Zusammenarbeit zwischen Nola und Snøhetta, bei der Kreativität sowohl Methode als auch Ziel war. Im Mittelpunkt steht die Landschaftsarchitektin Jenny B. Osuldsen, die uns von den welligen Feldern Südschwedens bis zum Dach der Oper in Oslo – und weiter in die Zukunft des öffentlichen Raums – mitnimmt.

Foto: Mikal Schlosser

Als Snøhetta den Auftrag erhielt, die Landschaftsarchitektur für MAX IV zu gestalten, standen sie vor einer ungewöhnlichen, aber entscheidenden Herausforderung: Der Boden musste Vibrationen absorbieren, um die empfindlichen Forschungsarbeiten unter der Erde zu schützen.

Um Störungen, unter anderem durch den Verkehr auf der nahegelegenen E22, zu minimieren, modellierten sie die Landschaft in große, unregelmäßige Wellen – basierend auf gemessenen Wellenlängen der Bodenvibrationen. Je mehr Variation und Oberfläche geschaffen wurde, desto besser konnten sich die Schwingungen verteilen und abschwächen. Das Ergebnis war ein Muster von Wellenformationen mit Längen zwischen 10 und 40 Metern, gestaltet nach parametrischen Designprinzipien und angepasst an das Materialgleichgewicht des Standorts.

Trotz der hochmodernen Funktion der Anlage strahlt die Landschaft etwas anderes aus: Ruhe, ein harmonischer Fluss. Eine nahtlose Verbindung von Form und Funktion.

Aus dieser Inspiration entstand der Fahrradunterstand Våg. „Wir wollten den Wellenausdruck aufnehmen und in eine neue Maßstabsebene übertragen,“ sagt Jenny B. Osuldsen, Professorin für Landschaftsarchitektur und Partnerin beim norwegischen Architekturbüro Snøhetta.

Foto: Tobias Selnaes Markussen

„Wir beginnen oft mit den Bedürf­nissen eines Ortes, aber wenn wir mit Auf­tragge­bern arbeiten, die uns die Frei­heit geben, etwas ganz Neues zu gestalten – und mit Unter­nehmen wie Nola – dann können Ideen wirklich abheben.“

Jenny B. Osuldsen, Partner Snøhetta

Was als ortsspezifische Lösung begann, entwickelte sich zu etwas Größerem. Durch die enge Zusammenarbeit mit Nola wurde es möglich, die Idee von einer einzigartigen Installation zu einem Produkt weiterzuentwickeln. Das Dach aus Glasfaser wurde von einer Bootswerft in Bohuslän gefertigt – ein völlig neuer Typ Auftrag, der Materialkompetenz, Handwerkskunst und Vision erforderte.

„Normalerweise bauen sie nur Boote. Sie empfanden dies als eine spannende neue Herausforderung für Design und Produktion,“ erklärt Jenny. „Ohne diese Partnerschaft hätten wir es nicht in der Form umsetzen können, wie wir es wollten.“

Jenny beschreibt das Ergebnis als Beweis dafür, dass gutes Design nicht beim Konzept stehenbleiben muss. „Wir beginnen oft mit den Bedürfnissen eines Ortes, aber wenn wir mit Auftraggebern arbeiten, die uns die Freiheit geben, etwas ganz Neues zu gestalten – und mit Unternehmen wie Nola – dann können Ideen wirklich abheben.“

Foto: Tobias Selnaes Markussen

Das Ergebnis ist ein Fahrradunterstand, der mehr als nur Schutz bietet; er erzählt eine Geschichte. Über den Ort, aus dem er entstand. Über den Willen, etwas zu schaffen, das über seine Funktion hinaus Bedeutung trägt.

Am Ende dreht sich alles um Mut. Mut, die Frage zu stellen: Brauchen wir das wirklich? Mut, anders zu denken. Mut, über Standards hinauszublicken – wie damals, als Snøhetta vor der Herausforderung stand, auf dem ikonischen Marmordach der Oper in Oslo Kontrastmarkierungen anbringen zu müssen. Eine Anforderung, die das sorgfältig gestaltete monochrome Erscheinungsbild gestört hätte. Jenny erzählt mit einem Schmunzeln, wie sie die Stufenkanten einfach als Kunst definierten – denn Kunst unterliegt nicht denselben Regeln.

„Es brauchte etwas Fingerspitzengefühl, aber es hat funktioniert,“ sagt Jenny und lächelt. Eine kleine Anekdote – aber mit einer großen Botschaft: Design ist auch Verhandlung. Für Jenny liegt genau darin die eigentliche Kunst des Berufs – Wege zwischen Vorschriften, Bedürfnissen und Visionen zu finden.

Das Dach der Oper in Oslo ist ein klares Beispiel: ein öffentlicher Raum, der sowohl visuell einladend als auch barrierefrei sein muss. Dasselbe gilt für Stadtmöbel, Fahrradunterstände und urbane Räume überall.

Foto: Cecilia Holm

Foto: Mikal Schlosser

„Wir können nicht einfach Dinge entwerfen, die nur auf Bildern gut aussehen. Sie müssen im echten Leben funktionieren – für echte Menschen, in Umgebungen, die den Belastungen des Alltags im öffentlichen Raum standhalten können. Sicherheit, Zugänglichkeit und ein Gefühl der Zugehörigkeit – das sind die Faktoren, die einen Ort lebendig machen. Und um das zu erreichen, müssen wir Räume schaffen, in denen Menschen Besitzgefühl entwickeln. Wenn etwas Ihnen gehört, kümmern Sie sich darum. So entsteht echte Verantwortung.“

Solche Räume zu schaffen erfordert mehr als nur Können – es erfordert Mut. Mut, Gewohnheiten infrage zu stellen. Mut, Standardlösungen zu hinterfragen. Mut, trotz aller Einschränkungen neu zu denken. „Etwas Neues zu wagen, birgt immer ein Risiko. Aber wenn wir den Wandel nicht wagen, können wir auch keine Verbesserungen erreichen,“ schließt Jenny.

Vielleicht ist es genau das, was Våg symbolisiert: Einen Ort, ein Bauwerk und eine Zusammenarbeit, die zeigen, was passiert, wenn Kreativität und Mut im öffentlichen Raum zusammenfinden.